Homeschooling, Homeoffice, Kontakteinschränkungen und blanke Nerven – inzwischen gehören diese Dinge schon zu fast jedem Familienalltag. So auch bei uns in Hastedt. Mit der Corona-Krise stoßen viele Familien an ihre Grenzen. Die Pandemie wird zu einer immer größeren Herausforderung für Eltern und Kinder.
Kirsten Wiese, dreifache Mutter aus Hastedt, kann ein Lied davon singen. Zu Beginn des ersten Lockdowns im März 2020 sei die Stimmung bei den Kindern zunächst euphorisch gewesen. Zuhause bleiben anstatt die Schulbank zu drücken – damals noch ein Traum fast aller Schulkinder. Doch sie wurden schon bald von der Realität eingeholt, denn ganz so spannend gestaltet sich der Alltag dann doch nicht, wenn man so gar nichts Tolles machen kann und möglichst auch die Freunde nicht treffen soll. Wie viele Eltern war dann auch Kirsten Wiese froh, als Bremen sich entschied, die Schulen zumindest teilweise wieder zu öffnen.
Doch selbst die Mischung aus Präsenzunterricht in Halbgruppen und Homeschooling gestaltete sich für viele Eltern schwierig. Auch wenn inzwischen allen Schülerinnen und Schülern das Distanzlernen durch die Aushändigung der Tablets ermöglicht und erleichtert wurde, haben noch immer viele Kinder und Eltern Probleme, mit der Situation zurechtzukommen. Denn nicht jedes Kind ist diszipliniert und hat das Lernen gelernt. Selbst der älteste Sohn der 48-jährigen habe einsehen müssen, dass er ohne regelmäßigen Präsenzunterricht nicht diszipliniert genug arbeiten könne.
Die Vorteile der digitalen Welt und der mit Corona zwangsläufig schneller stattfindenden Digitalisierung in den Schulen brachten gleichzeitig Nachteile mit sich. Zum einen wurden nicht nur Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler sehr schnell mit der neuen Situation konfrontiert und zum spontanen Handeln gezwungen. Auch die Einarbeitung in die verschiedenen Lernportale und Apps sowie eine neue Art des Cybermobbings stellte alle vor große Herausforderungen. Vereinzelt machten sich Schülerinnen und Schüler einen Spaß daraus, sich Zugang zu fremden Accounts zu verschaffen und über die Chatfunktion Nachrichten an Lehrkräfte zu verschicken.
Auch Kirsten Wiese sah sich als Mutter von Kindern im Alter von 7, 10 und 15 Jahren mit einigen Problemen konfrontiert. Probleme mit den Accounts auf den Lernplattformen gab es bei ihren Kindern zwar glücklicherweise nicht, jedoch war es die Kombination aus Homeschooling für die Kinder und der eigenen Homeoffice-Tätigkeit, die ihr einiges abverlangte. Die Juristin und Hochschullehrerin arbeitet seit dem ersten Lockdown im März 2020 fast ausschließlich im Homeoffice, da auch die Hochschullehre größtenteils digitalisiert wurde. Obwohl damit der Arbeitsweg wegfalle, seien die Tage doch viel arbeitsreicher. Nicht nur die Umstellung auf digitales Lernen sei ein großer Zeitfaktor, sondern auch die Kinder würden nun deutlich mehr Zeit beanspruchen. »Man würde sich freuen, auch mal wieder mehr Termine zu haben«, bewertet Wiese die Situation nun nach inzwischen einem Jahr.
Die Mutter empfinde es einerseits als großen Vorteil, da die Kinder so nicht allein zu Hause seien. Andererseits sei die Situation oft auch angespannt, da alle Familienmitglieder sich größtenteils im Haus aufhielten und sich die Kinder außerhalb der schulischen Verpflichtungen selbst beschäftigen müssten. Dadurch steige auch der Medienkonsum zwangsläufig, da es oft an Alternativen fehle. »Wir mussten viele Erziehungsstandards über Bord werfen«, stellt Wiese fest. Auch im Haushalt falle deutlich mehr an, wenn alle sich viel zuhause aufhielten. »Ich versuche, mehr Mithilfe einzufordern«, berichtet die Mutter, was allerdings bei den Kindern auf wenig Resonanz stoße.
Trotz allem seien ansonsten meistens alle guter Laune, und auch Freundschaften der Kinder seien durch Treffen im kleinen Rahmen aufrecht erhalten worden. Mit den eingeschränkten Freizeitaktivitäten sei die Familie einigermaßen gut zurechtgekommen. Auch wenn sportliche Aktivitäten und Familienausflüge nicht im selben Ausmaß stattfinden könnten, gebe es andere Möglichkeiten. Der 15-jährige Sohn der Juristin halte sich viel auf dem Bolzplatz auf, und auch der 10-jährige sei durch regelmäßiges Fahrradfahren sportlich aktiv geblieben. Zudem habe er regelmäßig den Hort des Sportgarten e.V. besucht, der auch während dieser Zeit weiterhin geöffnet sei. Auch dem 7-jährigen komme die willkommene Abwechslung durch die Kindermädchen zugute.
Während der eigenen zehntägigen Quarantäne sei der Stresslevel am Ende schon deutlich höher gewesen. »Da wurde der Stress so durchgereicht«, sagt die dreifache Mutter. Ein Familienmitglied sei positiv getestet worden. Das Ergebnis sei nur zufällig zutage gekommen, da es keine Symptome gegeben habe und der Test nur rein vorsorglich aufgrund eines geplanten Familienbesuchs vor Weihnachten durchgeführt worden sei. Obwohl der Test bei allen anderen Familienmitgliedern negativ ausgefallen sei, hätten auch sie als Kontaktpersonen ersten Grades die zehntägige Quarantäne aushalten müssen.
Bezüglich eigener Interessen habe Kirsten Wiese deutliche Einschränkungen erlebt. Ihr politisches Engagement bei den Grünen habe im vergangenen Jahr deutlich unter den neuen Anforderungen und der dadurch fehlenden Zeit gelitten. Ihre sonst sehr intensiven politischen Aktivitäten seien im letzten Jahr deutlich zurückgegangen. »Das fehlt mir sehr«, bemerkt sie. »Diese Zeit entsolidarisiert uns teilweise. Viele haben mehr mit der Alltagsbewältigung zu tun, und soziale Probleme stehen hinter Corona zurück.«
Jedoch sehe auch Wiese einige positive Veränderungen, die die derzeitige Krise mit sich bringe. Vor allem sehe sie einen großen Vorteil in der Lage Hastedts. Bremen sei ohnehin eine sehr grüne Stadt, und als Hastedterin genieße sie die Nähe zur Weser und zum Weserwehr. Die Familie habe immer mehr die Freude am Spazierengehen für sich entdeckt. Darüber hinaus bewerte sie an der Situation positiv, dass trotz der Einschränkungen einiges möglich sei und man nicht den Kopf verliere.
Sie rate anderen Familien, ebenfalls gelassen zu bleiben. Auch von Seiten der Politik wünsche sie sich »mehr Mutmachen«. Es sei deutlich, dass die Regeln von Erwachsenen aufgestellt worden seien. »Die beschränkenden Regeln für Kinder sind zu eng«, kritisiert sie. Sie sei der Meinung, es hätte eher in anderen Bereichen schneller gehandelt werden sollen, wie beispielsweise frühere Homeoffice-Regelungen in mehr Unternehmen und eine schnellere Einführung von Schnelltests. Nach jetzigem Stand werden Kinder und Eltern wohl noch viel Geduld aufbringen müssen, um den Familienalltag weiterhin zu meistern.