Ein weißes, längliches Industriegebäude mit drei Schornsteinen.
2022 soll das Blockheizkraftwerk Hastedt fertiggestellt werden. Bild: Simulation / SWB

Noch ist auf dem Gelände zwischen Kohlekraftwerk Hastedt und Allerhafen eine Baustelle. Bereits im nächsten Jahr soll an dieser Stelle ein neues Kraftwerk eröffnet werden, das laut Betreiber SWB seinen Nachbarn in den Schatten stellen soll. 200.000 Tonnen CO2 soll das neue mit Erdgas betriebene Blockheizkraftwerk einsparen, wenn das alte Kraftwerk vom Netz geht.

»Das neue Blockheizkraftwerk erzeugt ein Drittel weniger Emissionen als das alte«, sagt Friedhelm Behrens, Sprecher der SWB. Der Kraftwerksneubau sei ein wichtiger Schritt im Ausstieg aus der Kohleverstromung.

Ganz so optimistisch ist Klaus Prietzel, der Vorsitzende des Bremer BUND, da nicht. Sein Blick auf das neue Kraftwerk ist gespalten: »Wir stehen dem Erdgas sehr kritisch gegenüber. Gegenüber dem vorherigen Zustand ist es in Teilbereichen eine Verbesserung, aber es ist nicht wirklich der Schritt, den wir uns wünschen.« Wie Steinkohle sei auch Erdgas ein fossiler Energieträger, so Prietzel, und ebenso treibe es die Klimakrise voran.

Noch radikaler sieht das die Gruppe »8MforClimateJustice«. Sie hatte am internationalen Frauentag, dem 8. März, zur Besetzung des Kraftwerksgeländes in Hastedt aufgerufen. Dabei forderte die Flinta-Gruppe (bestehend aus Frauen, Lesben, Inter-, nicht-binären und Trans-Personen) unter anderem einen Baustopp für das Blockheizkraftwerk. Sie wollten den Blick auf die Klimakrise um eine globale Perspektive erweitern, schreibt Alma Novak von 8MforClimateJustice auf Anfrage von hohwisch.de: »Wir protestierten gegen die Verbrennung von Kohle und Gas durch SWB, da es die Lebensgrundlagen vieler Menschen zerstört und zu globaler Ausbeutung beiträgt. Der geplante Umstieg von SWB von Kohle auf Gas löst dieses Problem nicht.« So würden Kohle- und Gasgewinnung Menschenrechtsverletzungen in den Abbaugebieten provozieren, während Profite an Energiekonzerne wie die SWB fließen würden.

Die Kohle für das Kraftwerk Hastedt sei so genannte Überseekohle, sagt Friedhelm Behrens. »Die kommt überwiegend aus Tagebauwerken in Südamerika, Afrika und Australien. Das Gas kommt aus dem europäischen Ferngasnetz.« Dabei könne die Herkunft oft nicht genau bestimmt werden, viel Gas werde aber aus Skandinavien eingespeist.

Sechs Männer stehen um einen Grundstein.
Grundsteinlegung des neuen Gaskraftwerks: ganz links Torsten Köhne (SWB), ganz rechts Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Bild: Frank Thomas Koch / SWB

Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte bezeichnete das Gaskraftwerk bei der Grundsteinlegung im November 2020 als Brückentechnologie. Klaus Prietzel vom BUND geht sogar noch weiter. »Vor zehn Jahren hätte man das als Brückentechnologie bezeichnen können. Inzwischen ist die Klimakrise zu weit fortgeschritten. Statt Brückentechnologien müssen wir Nägel mit Köpfen machen«, sagt er und meint damit den Ausbau erneuerbarer Energien. »Wir müssen überall wo es auf den Gebäuden geht, Solarstrom erzeugen.«

Auch für Alma Novak ist das Gaskraftwerk keine Option mehr: »Jede Investition in eine Gasinfrastruktur wie dieses Gaskraftwerk führt dazu, dass diese klimaschädliche Technologie noch Jahrzehnte weiter genutzt werden muss. Das verstärkt den sogenannten Gas-Lockin Effekt, da SWB nun ein Interesse daran hat, das Gaskraftwerk möglichst lange am Netz zu lassen.« Auch sie und ihre Gruppe plädieren für erneuerbare Energien.

SWB-Sprecher Friedhelm Behrens sieht für das Gaskraftwerk erst einmal eine Laufzeit von 15 Jahren. Und danach? »Wir werden die kommenden Jahre dazu nutzen, um verschiedene klimaschonende Techniken zur Wärmeerzeugung weiter zu entwickeln, wie zum Beispiel Abwärme aus Industrieprozessen zu nutzen oder mittels Solarstrom synthetisch hergestellte Gase«, sagt Behrens.

Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag ist der Kohleausstieg tatsächlich als wichtigste Maßnahme für eine Energiewende enthalten. Bis 2023 möchte der Senat alle Kohlekraftwerke im Land Bremen stilllegen. Die SWB habe hier in den letzten Jahren einen großen Fortschritt gemacht, sagt Friedhelm Behrens: »In den letzten sieben Jahren haben wir zwei Kohleblöcke stillgelegt, bis spätestens 2025 möchten wir den letzten Kohleblock 15 in Hastedt still legen.«

Ab dann müsste das erdgasbetriebene Blockheizkraftwerk die Aufgaben übernehmen, die derzeit noch das Kohlekraftwerk leistet: Wärme und Strom für die anliegenden Stadtteile produzieren. Das neue Kraftwerk besteht aus 9 Blöcken, die unabhängig voneinander ein- und ausgeschaltet werden können. Dadurch kann es nur so viel Wärme und Strom produzieren, wie gerade benötigt wird. Die Menge Strom, die das derzeitige Kraftwerk Hastedt erzeugt, wird das neue Kraftwerk aber nicht liefern können. »Sollte mehr Strom in Bremen benötigt werden, wird dieser aus dem europäischen Verbundnetz eingespeist«, sagt SWB-Sprecher Behrens.

Doch auch wenn das neue Blockheizkraftwerk emissionsärmer ist, ist es nicht emissionsfrei. Ein Grund für die Flinta-Gruppe 8MforClimateJustice auf dem Kraftwerksgelände in Hastedt gegen den Neubau zu protestieren und ein Binnenschiff, das Steinkohle geladen hatte, zu blockieren. Nach eigenen Angaben ca. 35 Personen kletterten auf das Schiff und einen Kran am Kraftwerksanleger.

Demonstrierende Menschen auf einem Binnenschiff. An dessen Außenwand wurden Plakate befestigt. Auf einem Plakat steht: »Klimagerechtigkeit ist queerfeministisch«.
Die Aktivist:innen besetzten auch ein Schiff, das Kohle geladen hatte. Bild: @8MClimateJust / Twitter

Grundsätzlich könne er das Anliegen der Protestierenden, den Klimaschutz, nachvollziehen, sagt Friedhelm Behrens: »Trotzdem gibt es einen Unterschied: Die SWB hat einen Versorgungsauftrag. Wir müssen Wohnungen und die Industrie versorgen, da können wir nicht von jetzt auf gleich einen Schalter umlegen.« Der Protest sei glücklicherweise friedlich abgelaufen, trotzdem habe er die Aktion mit Sorge verfolgt: »Das ist ein Betriebsgelände mit Gefahrenquellen. Es gibt teilweise hohe Stromspannungen mit 110.000 Volt und ungesicherte Hafenanlagen.« Die Deeskalationsstrategie der SWB sei aufgegangen, niemand habe Schaden genommen. »Die Protestierenden haben sich in unnötige Gefahr gebracht«, bilanziert Behrens.

Zuletzt berichtete der Weser-Kurier über so genannte Parlamentarische Beobachterinnen, zwei Bürgerschaftsabgeordnete von Grünen und Linken, die nach eigener Ansicht vermittelt und den friedlichen Ablauf der Protestaktion gewährleistet hätten. Friedhelm Behrens ist da anderer Ansicht: »Die Strategie der SWB wäre genau so auch ohne die Beobachterinnen abgelaufen.« Stattdessen hätten sich die Beobachterinnen unbegleiteten Zutritt zum Betriebsgelände verschafft und sich am Eingang vorbeigedrängelt.

Die Protestierenden sind mit ihrer Aktion im Rückblick zufrieden. »Wir haben für einen halben Tag ein Kohleschiff und einen Kohlekran besetzt. Durch unsere Besetzung konnte ein Kohleschiff nicht wie geplant ablegen. Wir werden aber weiterhin für Klimagerechtigkeit und Queerfeminismus und gegen die Verbrennung fossiler Brennstoffe kämpfen«, schreibt Alma Novak von 8MforClimateJustice auf Anfrage von hohwisch.de.

Bleibt die Frage, was aus dem Kraftwerksgelände in Hastedt wird, wenn nur noch das Gaskraftwerk auf dem Grundstück nebenan betrieben wird. Klaus Prietzel vom BUND hätte einige Ideen: »Ich könnte mir einen Solarpark am alten Kraftwerksgebäude vorstellen oder die Installation von Großwärmepumpen, um die Weser für die Wärmeversorgung zu nutzen.« Letztere würden bald auch in der Überseestadt eingesetzt.

Friedhelm Behrens von der SWB kann sich ebenfalls eine Entwicklung in diese Richtung vorstellen: »Unser Gelände in Hastedt bleibt auch weiterhin ein Kraftwerksstandort mit Anschlüssen an das Strom- und Wärmenetz. Vorstellbar wäre dort auch ein Batteriespeicher für überschüssig erzeugten Strom.« Der Kraftwerksturm, das heimliche Wahrzeichen Hastedts, bleibt dem Stadtteil also noch einige Zeit erhalten.

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